Historische Betrachtung der Anästhesie im Bereich der Mundhöhle von 1919 (Instrumente)
Die Wahl der Injektionsspritze und Injektionsnadeln hat, meiner Überzeugung nach, vor allem nach dem Prinzip der Einfachheit bei sicherer Brauchbarkeit zu geschehen. Seit Jahren verwende ich ausschließlich die unmodifizierten Rekordspritzen und habe nie das Bedürfnis nach einer anderen Spritze gefühlt. Die Rekordspritze erscheint durch ihre einfache Zerlegbarkeit und durch die Möglichkeit, sie eben so rasch wieder zusammenzusetzen, vor allem dazu geeignet, ihr Auskochen, das ja in zerlegtem Zustand geschehen muß, am einfachsten zu erlauben; gerade die Forderung aber, die Spritze vor jeder Injektion auszukochen, halte ich für unerläßlich. Dazu kommt noch, daß die Nadeln auf die Rekordspritze selbst nur aufgesteckt werden müssen, was einen wohltuenden Zeitgewinn gegenüber dem Aufschrauben bei anderen Spritzen bedeutet. Dabei ist aber dieser Mechanismus vollkommen genügend, um auch dem stärksten in Betracht kommenden Druck — bei der Injektion in die Gaumenschleimhaut — standzuhalten, wenn nur die Nadeln wirklich passen. Man wählt am besten Spritzen mit einer Fassung von 2 cm. Als Nadeln kommen drei Formen in Betracht. Für die subperiostale —verwende ich die Subkutan -Nadel. Für die tiefe Leitungsanästhesie ist eine 0,75 — 0,8 mm starke, 5 cm lange Nadel am brauchbarsten. Als dritte Nadel kommt noch für die Anästhesie am Foramenrotundum und ovale eine 1 mm starke, mindestens 8 cm lange Nadel in Betracht. Während die feine Nadel in der gebräuchlichen Form verwendbar ist, sollen die stärkeren für die Tiefeninjektion bestimmten Nadeln eine weniger stark abgeschrägte Spitze haben, als es sonst üblich ist. Daß natürlich eine Nadel aus Piatiniridium jeder anderen vorzuziehen ist, versteht sich von selbst, doch leisten auch die käuflichen Stahlnadeln, wenn sie nur ordentlich vernickelt sind, gute Dienste. Für die Auswahl der Nadeln waren folgende Gründe maßgebend. Zunächst braucht man eine feine Nadel, deren Einstich fast unfühlbar ist, für alle jene Fälle, wo es nur darauf ankommt, an einer bestimmten Stelle Schleimhaut und Periost oder äußere Haut zu durchstoßen und höchstens kleinere Verschiebungen am Knochen durchzuführen. Für die Injektionen in größerer Tiefe aber ist meiner Meinung nach das Abtasten des Knochens mit der Nadelspitze das wichtigste Mittel, um eine wirklich sichere Orientierung zu ermöglichen. Daher die verhältnismäßig grobe Nadel. Ihre Länge erklärt sich aus der Erwägung, daß das Abbrechen der Nadel einen der unangenehmsten Zufälle bei einer Injektion darstellt, der oft genug schon Anlaß für große chirurgische Eingriffe gewesen ist.
Da nun die Nadel so gut wie immer an der Lötstelle des Ansatzes mit der Kanüle bricht, ist es angezeigt, die Nadel so lang zu lassen, daß das Ende nach einem Abbrechen möglichst weit und gut faßbar vorsteht. Daß der Einstich mit einer so groben Nadel etwas schmerzhaft ist, kommt nicht in Betracht. Erstens ist der Schmerz recht gering, wenn die Nadel — worauf oft zu wenig geachtet wird — tadellos scharf ist. Und zweitens ist man bei besonders empfindlichen Patienten in der Lage, das Einstichgebiet zuerst mit der feinen Nadel mit wenigen Tropfen der Lösimg durch submuköse Injektion zu anästhesieren, eventuell auch durch Auflegen eines Wattebäuschchens.Bei der perkutanen Injektion wird ja, nach Braun, regelmäßig zuerst eine intrakutane Quaddel gesetzt, um den Einstich mit der gröberen Nadel schmerzlos zu gestalten. Nicht zuletzt hat das angegebene Instrumentar den Vorzug der großen Einfachheit für sich. Bezüglich der Vorbereitung des Operationsfeldes ist ein kräftiger Jodanstrich der Einstiches jeder anderen vorzuziehen.
Nochmals möchte ich als wichtigsten Leitsatz der Injektionstechnik im allgemeinen die unbedingte Notwendigkeit betonen, steril zu arbeiten. Sterile Lösung, sterile Spritze, sterile Nadeln, endlich möglichst steriles Operationsfeld sind die unerläßlichen Vorbedingungen für ein gedeiliches Arbeiten.