Historische Betrachtung der Anästhesie im Bereich der Mundhöhle von 1919
Je weitere Verbreitung die exakte, auf anatomischen Grundlagen aufgebaute Technik der lokalen Anästhesie im Spezialgebiete der Zahnheilkunde gewinnt, je mehr die Ansicht durchdringt, der Patient habe das Recht zu fordern, daß jeder Eingriff schmerzlos geschehe, desto mehr tritt die Notwendigkeit hervor, diese Technik so auszugestalten, daß sie nicht nur in der Hand dessen eine sichere Anwendung erlaubt, der durch jahrelange Übung die „gefühlsmäßige“ Ausführung erlernt hat. Es soll vielmehr der Wahrscheinlichkeitskoeffizient des Gelingens vor allem dadurch immer weiter erhöht werden, daß die Methodik nicht allein auf die möglichst sichere Ausführbarkeit, sondern auch auf die möglichst leichte Erlernbarkeit hinzielt. Und dazu erscheint das Heranziehen gerade der anatomischen Grundlagen, wie bei der Herstellung von Zahnprothesen, in noch höherem Maße erwünscht als dies bisher geschah. Es ist dabei vor allem dem Umstand Rechnung zu tragen, daß wir es niemals mit dem Typus der Gattung Homo zu tun haben, sondern immer mit einem Individuum. Mittelzahlen, die in jedem Buche über Anästhesie eine so große Rolle spielen, sollen daher möglichst vermieden werden; sie können als Anhaltspimkte für die beiläufige Orientierung noch immer gute Dienste leisten, aber sie dürfen nicht das Fundament einer Methode bilden. Das Aufsuchen gerade jener anatomischen Merkmale, die die individuellen Variationen zu parieren erlauben, war ein Prinzip, von dem ich mich in der Darstellung der Anästhesierungsmethoden leiten ließ.
Für die Darstellung in Schriftform, ist noch eine Reihe anderer Gesichtspunkte maßgebend. Die Auswahl der Methoden muß so geschehen, daß tatsächlich die besten allein zur Darstellung gelangen. Eine Überladung eines Berichtes mit historischen oder literarischen oder kritischen Betrachtungen scheint mir verfehlt. Ein Hauptaugenmerk muß femer der bildlichen Wiedergabe zugewendet werden. So banal dieses Postulat klingt, ist es doch nicht leicht erfüllbar und ein Blick in die beiden verbreitetsten Lehrbücher der Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde, in die Bücher von Fischer und von Bunte und Moral genügt, um sich zu überzeugen, daß diese Forderung in diesen Werken völlig unerfüllt bleibt.
Diese Prinzipien der möglichst breiten anatomischen Fundierung, der gedrängten Auswahl der Methoden und ihrer möglichst exakten bildlichen Darstellung, womöglich nach eigenen, für den besonderen Zweck hergestellten Präparaten, haben mich bei der Verfassung des vorhegenden kurzen Werkes geleitet.